#oskarRedetMit – Linda Hüttmann, Berliner Tiertafel e.V.

In der Rubrik #oskarRedetMit finden Sie Interviews mit spannenden Akteur:innen aus den Bereichen Engagement, Zivilgesellschaft und Gemeinwohl. Dieses Interview widmet sich den besonderen Herausforderungen dieser Zeiten.

Fotos: Tiertafel


Steigende Preise allerorts in den Supermärkten und Geschäften, bisher kaum vorstellbare Kostensteigerungen bei Gas und Strom, tief in die Tasche greifen müssen an den Tankstellen des Landes – es gibt kaum jemanden der davon nicht betroffen ist. Über die Unterstützungsmaßnahmen des Staates sind die Meinungen geteilt. Viele schaffen es nur, weil es Helfende gibt, die unter die Arme greifen und unterstützen.
Was aber wenn die Helfenden selbst Hilfe brauchen? Wir haben uns in Lichtenberg mal etwas umgehört und sprachen
mit der Vorstandsvorsitzenden Linda Hüttmann, wie es der Berliner Tiertafel geht und wo Unterstützung gefragt ist.

oskar: Die Tiertafel hilft gleich doppelt – den Tieren mit Nahrung und sonstigen nützlichen Dingen, die ein Tier so braucht, und bedürftigen Tierhalter:innen, die das sonst für oft teures Geld kaufen müssten. Welche Voraussetzungen müssen denn Tierfreunde erfüllen, wenn sie die Angebote der Tiertafel nutzen möchten?
Ein hellbrauner Hund mit weißer Blesse frisst aus einer Hand
Noch ein Leckerli

Linda Hüttmann: Sie müssen ihre Bedürftigkeit nachweisen. Das heißt, die Einkommens- und Lebensverhältnisse müssen offengelegt werden. Mit jedem oder jeder, der oder die sich bei uns anmelden möchte, führen wir ein Gespräch. Da geht es sehr unbürokratisch zu. Was da mitgebracht werden muss, finden Interessierte bei uns auf der Internetseite www.tiertafel.org.

Ganz wichtig ist auch, dass sich die Tiere bereits bei den Halter:innen befanden, bevor die Bedürftigkeit begann. Dann ist die Unterstützung auch nicht auf ein Tier begrenzt. Wer also Hund, Vogel und Hamster bereits hatte, bevor die Bedürftigkeit eingetreten ist, bekommt Unterstützung für alle drei Tiere. Zu beachten ist aber: Wer bereits Unterstützung von der Tiertafel erhält und sich dann ein weiteres Tier anschafft, bekommt nicht nur keine Unterstützung für dieses Tier, sondern verliert die Unterstützung gänzlich.

Auf der Internetseite des Vereins ist ersichtlich, dass Öffnungszeiten für Menschen aus der Ukraine angeboten werden. Warum haben Sie sich für diese speziellen Termine entschieden und wie wird das Angebot von den Geflüchteten angenommen, die zusammen mit ihren Haustieren vor dem Krieg geflohen sind?
Der Tresen der Tiertafel mit vielen Menschen , Dingen und Tieren
Futterausgabe

Die Zahl der Tierfreunde, die wir unterstützen, ist insgesamt gestiegen. Wir mussten uns neu organisieren, um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden. Bis Oktober hatten wir zwei Ausgabezeiten pro Monat, also alle 14 Tage. Da konnten alle kommen. Da sind wir aber nicht mehr zurecht gekommen. Ab Oktober haben wir das neu organisiert. Es bleibt zwar dabei, dass wir alle 14 Tage eine Ausgabe haben, aber eben für unterschiedliche Gruppen. Vorteil ist, jeder muss nur einmal kommen und bekommt die doppelte Ration, die für alle gleich ist. Das kommt auch unseren einheimischen Tierfreund:innen entgegen. Sie müssen sich nur einmal auf den Weg machen zu uns und bekommen die gleiche Unterstützung wie bisher. Und während der Ausgabezeit für Geflüchtete aus der Ukraine haben wir die Möglichkeit, uns besser auf sie einzustellen. Für sie ist ja alles neu und sie haben viele Fragen. Da braucht es schon mal etwas mehr Zeit. Und wir können uns darum kümmern, dass wir zu diesem Termin auch ausreichend Dolmetscher vor Ort haben. Am Anfang waren es gerade mal 6 Geflüchtete aus der Ukraine, jetzt kommen regelmäßig bis zu 250 Tierhalter:innen aus der Ukraine zu uns. Insgesamt unterstützt die Tiertafel derzeit circa 400 Tierfreund:innen.

Der Verein muss ja auch erstmal beschaffen, was er anbietet. Funktioniert das alles noch wie gewohnt, oder machen sich die unsicheren Zeiten auch bei Ihnen bemerkbar? Da sind der Krieg in der Ukraine und seine Folgen, die Preissteigerungen allerorts und die Corona-Pandemie, die ja auch noch nicht vorbei ist. Wie spüren Sie das bei Ihrem Engagement?

Was wir merken ist, dass die Geldspenden zurück gehen. Da spüren wir schon, dass bei vielen das Geld nicht mehr so locker sitzt und gespart wird, wo es nur geht.

Linda Hüttmann, Vorstandsvorsitzende Tiertafel e.V.

Die Sachspenden, die wir bekommen, sind recht stabil. Da haben wir keine großen Rückgänge. Allerdings muss man dazu sagen, dass wir von der Tierschutzbeauftragten Berlins finanzielle Förderung erhalten. Auch Stiftungen unterstützen uns mit Geldmitteln. Damit können wir das kaufen, was wir für die Unterstützung benötigen. Die Menschen aus der Ukraine mussten für ihre Tiere eine amtsärztliche Untersuchung vorweisen. Das haben wir für die organisiert, die zu uns gekommen sind. Die Kosten dafür haben wir auch ersetzt bekommen.
Was wir merken ist, dass die Geldspenden zurück gehen. Da spüren wir schon, dass bei vielen das Geld nicht mehr so locker sitzt und gespart wird, wo es nur geht.
Ab dem 22. November steigen ja auch die Kosten für den Tierarzt deutlich. Da müssen wir erst mal sehen, wie sich das auswirkt.

Frau in grauem Pullover mit Maske streichelt kleinen Hund, der auf einem roten Handtuch auf einem Tresen sitzt
So viel Zeit muss sein
Tierheime und Tierschützer befürchten, dass sich doch einige von ihren Tieren trennen könnten und ins Tierheim bringen. Was hören Sie da so?

Die meisten Tierhalter sparen lieber an ihrem eigenen Essen, bevor sie etwas für ihr Tier entbehren müssen. Mit steigenden Kosten für den Tierarzt ist aber damit zu rechnen, dass notwendige Behandlungen und Untersuchungen womöglich aufgeschoben werden, weil das Geld einfach nicht zur Verfügung steht. Dass sich unsere Nutzer:innen von ihren Tieren trennen würden, können wir uns nicht vorstellen. Um genau das zu vermeiden, kommen die Tierhalter:innen ja zu uns.

Wenn man sich so umschaut und umhört, gewinnt man den Eindruck, dass diejenigen, die Hilfe benötigen, mehr werden. Und andererseits ist es wohl so, dass die Helfenden selbst immer mehr Hilfe benötigen. Beschreibt das die Situation richtig?

Allgemein stimmt das sicher. Wir sind aber bisher ganz gut durch die Zeit gekommen. Allerdings, wenn wir die genannte finanzielle Unterstützung durch die Tierschutzbeauftragte und von Stiftungen nicht hätten, würde es bei uns auch schlechter aussehen. Bei den Freiwilligen, die uns helfen, klagen vor allem die Student:innen, dass bei ihnen von den staatlichen Unterstützungen bisher kaum was angekommen ist.

Was brauchen Sie, damit die Berliner Tiertafel auch weiterhin für Bedürftige da sein kann? Was erwarten Sie von staatlichen Strukturen, aber auch von privaten Unterstützern? Womit kann man Ihnen am besten helfen?
Katze mit Frau davor auf einem Mettaltresen
Mal sehen was der Tierarzt sagt

Was wir immer gebrauchen können ist Geld. Das hilft uns am meisten, weil wir das dann dort einsetzten können, wo es gerade gebraucht wird. Unser Spendenkonto findet jeder auf der Internetseite https://tiertafel.org/.
Wir brauchen aber auch immer Freiwillige, die uns helfen Sachspenden von unseren verschiedenen Sammelstellen in der Stadt zu unserem Objekt in der Wustrower Straße 18 zu bringen. Und wer Flächen zur Verfügung stellen kann, die wir als Sammelstelle nutzen können, meldet sich gern bei uns.
Für unsere Ausgabestelle in der Wustrower Straße sind uns natürlich helfende Hände von Freiwilligen immer willkommen. Ja, und Dolmetscher, die uns bei der Betreuung der Geflüchteten aus der Ukraine helfen, können wir immer gebrauchen.
Langfristig müssen wir ein größeres Problem meistern. Unsere jetzige Bleibe steht wohl 2024 zum Abriss. Wir müssen also ein neues geeignetes Objekt finden.


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Dieses Interview entstand in der Redaktion Zeigen, was geht!
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