Fotos und Video: Licht-Blicke, Thomas Stange
Lichtblicke – wer ist da nicht froh, wenn es in seinem Alltag recht viele davon gibt. In Lichtenberg hat sich eine Fach– und Netzwerkstelle diesen Namen gegeben – die Licht-Blicke Fach- und Netzwerkstelle. Wir sprechen mit Thomas Stange. Er ist bei Licht-Blicke für politische Bildungsarbeit in Neu-Hohenschönhausen verantwortlich.
oskar: Bevor wir über Ihre Projekte sprechen, geben Sie uns ein paar Informationen zu Licht-Blicke. Wie lange gibt es die Fach- und Netzwerkstelle schon? Und welche Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte stehen da so auf der Tagesordnung?
Thomas Stange: Die Fach- und Netzwerkstelle Licht-Blicke gibt es jetzt schon das 21. Jahr. Ziel ist es nach wie vor, die Zivilgesellschaft zu stärken und damit die Arbeit gegen Neonazismus und Rassismus voranzubringen. Es geht insgesamt darum, Strukturen von Solidarität und einer Diversitätsorientierung im gesamten Bezirk zu unterstützen. Die Standbeine unserer Arbeit sind die Partnerschaften für Demokratie und Förderpraxis in Hohenschönhausen und Lichtenberg, die Kinder- und Jugendpartizipation, das Lichtenberger Register zur Erfassung diskriminierender Vorfälle, der Runde Tisch für politische Bildung Lichtenberg, der Arbeitskreis Stolpersteine und eben Platte Machen für Hohenschönhausen, die politische Bildung im einwohnerstärksten Stadtteil Neu-Hohenschönhausen. Es ist immer viel los und zu tun gibt es stets etwas in unserem wachsenden Bezirk.
Sie haben es selbst schon gesagt, ein Projekt, für das Sie verantwortlich sind, heißt „Platte Machen für Hohenschönhausen“. Platte machen – das ist eine Wendung mit ganz unterschiedlicher Bedeutung. Bei Obdachlosen ist sie gebräuchlich und steht dort für Schlafplatz aufsuchen. Platte machen kann aber auch heißen: Ich mache mir eine Platte. Ich denke über etwas nach. Mancher sagt zu seinem kahlen Kopf: Ich hab ne Platte. Und viele kennen wohl auch den Spruch: Ich wohne in der Platte. Worum geht es bei dem Projekt von Licht-Blicke?
Bei Platte Machen geht es ganz klar um das zweideutige Wortspiel mit dem Plattenbau, also dem Neubaugebiet aus der DDR-Zeit. Und es geht darum, sich ’ne Platte zu machen und über Dinge unseres Zusammenlebens nachzudenken. Was von dem Projekt befördert werden soll, ist politische Bildung für Erwachsene wohnortnah und mit Themen, die in Neu-Höhenschönhausen eben wichtig sind und die da verhandelt werden. Es handelt sich um einen Stadtteil mit rund 57.000 Einwohner:innen, der am Stadtrand liegt, aber vom Alex aus gut zu erreichen ist. Die Leute wohnen vor allem in der Vertikalen, und gesäumt ist alles von atemberaubenden Landschaften.
Naja, wir wollen jedenfalls Themen besprechen, die uns was angehen in Hohenschönhausen: Gesundheit, Verkehr, Klima, Gewalt, Inklusion, Familie, soziale Absicherung und eben auch die DDR-Geschichte der Gegend.
Thomas Stange von der Fach-und Netzwerkstelle Lichtblicke
Neu-Hohenschönhausen ist aber eben auch ein Stadtteil, wo heute nicht nur die Gewinner:innen der Gesellschaft leben. Zu DDR-Zeiten war das anders, da durften gar nicht alle „inna Platte“ wohnen. Heute werden die großen Neubaugebiete vom Stadtrand, egal ob in Neukölln, Spandau oder in Lichtenberg ein bisschen zum „sozialen Puffer der Stadt“ – wer nicht mit Erbe und Geld gesegnet ist, muss manchesmal in die Platte ziehen. In Berlin werden gerade viele verdrängt, weil die Innenstadt sich oft nur noch Leute mit Geld leisten können. Der Berliner Querschnitt und all seine Diversität treffen sich nun wieder in der Platte, wo allerdings die Preise auch nach oben gehen. Gemischt und divers war die Platte vor der Wende aber sowieso, wo Ingenieurin und Philosoph Tür an Tür wohnten. Naja, wir wollen jedenfalls Themen besprechen, die uns was angehen in Hohenschönhausen: Gesundheit, Verkehr, Klima, Gewalt, Inklusion, Familie, soziale Absicherung und eben auch die DDR-Geschichte der Gegend. Zurzeit haben wir ein Format wo wir gemeinsam Pizza essen und Beiträge aus dem TV schauen, also gemeinsam „In die Röhre gucken“.
Das Projekt gibt es bereits seit 2019. Es wird gefördert von der Berliner Landeszentrale für politische Bildung. Was ist Ihnen als Ergebnis der letzten Jahren in Erinnerung geblieben? Und mit welchen Vorhaben wollen Sie sich 2023 im Projekt beschäftigen?
Also in Erinnerung geblieben ist mir vor allem 2020 unser schöner Geburtstag der „WBS70“, als wir 50 Jahre Wohnungsbauserie 70 feierten. Das war der wichtigste Neubautyp der DDR, der Hohenschönhausen und fast alle Plattengebiete der DDR prägt. Da gab es einen WBS70-Kuchen, ein Interview mit einer Statikerin vom Industriehochbau Berlin und sehr schöne Postkarten mit Motiven von hier. Außerdem hatten wir 2021 ein wunderbares „Kino für alle“, unser Open-Air-Kino von verschiedensten Akteur:innen aus dem Kiez und mit dem Rapper Romano, der uns aus der Wendezeit berichtete. Und dieses Jahr waren wir auf einem sehr interessanten Spaziergang unterwegs zur Geschichte des Tages der Befreiung am Achten Mai in den Stadtranddörfern Wartenberg und Malchow.
2023 wird es wieder um einen Mix aus Verschiedenem gehen: Wir bieten bestenfalls etwas für alle an: Was zur Geschichte des Stadtteils und der Region sowie aktuelle Themen in unserem TV-Format. Wie jedes Jahr wird es das Kino für alle mit neuen Filmen geben. Auch die Auswertung unserer großen Umfrage für Hohenschönhausen zu politischen Themen im Stadtteil steht an.
Bei Platte Machen für Hohenschönhausen läuft ein Video-Projekt „Menschen im Kiez“. Ehrenamtliche aus Hohenschönhausen stellen in kurzen Videos Menschen vor, die sich im Stadtteil engagieren. Es sind ja bereits einige Videos entstanden. Wer wählt denn die Menschen aus und entscheidet darüber, wer vorgestellt werden soll?
Unser Projekt Menschen im Kiez gibt es ja schon eine Weile. Und es steht und fällt mit einem festen und stabilen ehrenamtlichen Team aus Hohenschönhausen. Wir haben am Anfang vor allem aus dem Pool von oskar gelebt und viele Menschen interviewt, die sich auch im Rahmen von oskar für etwas engagieren. Und dann ist es so, dass wir uns nach dem Hören-Sagen richten und immer mal wieder schauen, wen man so interviewen könnte. Zu unserem Adventskalender im vergangenen Jahr haben wir einfach Menschen auf der Straße angesprochen und sie lediglich gefragt, was sie gut finden in Hohenschönhausen. Das ist sehr schön geworden und bildet viele ab und stärkt eben auch das Gefühl für einen schönen Stadtteil, der manchmal mit Problemen assoziiert wird, aber eben vor allem auch mit Lebensqualität glänzt.
Sind die Macher eine offene Gruppe, bei der Jede oder Jeder mitmachen kann? Wo müssen sich Interessent:innen melden und welche Voraussetzungen sollten sie mitbringen?
Ja, wir sind mehr als offen. Wir haben zuletzt auch immer wieder nach neuen Mitstreiter:innen gesucht, was sich immer nur punktuell erfüllt hatte. Dafür können wir auf ein festes Team zählen. Melden kann man sich auf den Kanälen des Projektes Platte Machen, wie unter Platte-Machen-Facebook oder Platte-Machen-Instagram oder eben auch direkt bei mir unter thomas_stange@licht-blicke.org. Voraussetzung bei uns ist die Lust in einem kollaborativen Team gemeinsam an Videos zu arbeiten. Wir freuen uns vor allem über Menschen, die Videos gut schneiden können, oder auch Menschen die Interviews führen. Aber letztendlich geht’s nur darum, sich so einmal im Monat Zeit für ein nettes Projekt aus und für Hohenschönhausen zu nehmen.
Meldet Euch!
Mehr Infos Zur Redaktion „Zeigen, was geht!“
Dieses Interview entstand in der Redaktion Zeigen, was geht!
Sie ist die Freiwilligen-Redaktion der oskar | freiwilligenagentur lichtenberg. Freiwillig Engagierte verfassen für die Redaktion Beiträge über Themen im Zusammenhang mit Engagement. Das Format der Beiträge kann in der Redaktion frei gewählt werden, neben Texten sind auch Videos oder anderes möglich. Die jährlich stattfindenden Freiwilligentage stehen besonders im Fokus. Die Zeigen, was geht! – Redaktion steht allen Interessierten offen. Wir treffen uns an jedem 2. Donnerstag im Monat. Wer mitmachen möchte, meldet sich bitte bei Gül Yavuz: guel.yavuz@oskar.berlin