Interview: Fiona Finke, Fotos: Tina Messerschmidt
In der Begegnungsstätte RoBertO im Fennpfuhl bietet eine kleine Gruppe Ehrenamtlicher Treffen für Kinder und Jugendliche aus der Ukraine an, die noch keinen Schulplatz haben. Sie können dort Deutsch lernen, es ist aber auch eine gute Gelegenheit, um neue Freunde zu treffen und vom Alltag abzuschalten. Oskar sprach mit der Ehrenamtlichen Ksenia Porechina über das Projekt, ihre Motivation und wo noch Unterstützung gebraucht wird.
oskar: Du bist Teil eines kleinen Teams, das in der Begegnungsstätte RoBertO in Lichtenberg Deutschunterricht für Kinder und Jugendliche anbietet, die aus der Ukraine nach Berlin geflohen sind. Erzähle uns bitte kurz, was ihr da macht.
Ksenia Porechina: Unser Angebot richtet sich speziell an Kinder und Jugendliche aus der Ukraine, die noch keinen Schulplatz haben. Denn längst nicht alle können sofort in Berlin zur Schule gehen. Zurzeit sind wir drei Freiwillige und zwei Minijobbende. Das Projekt ist bei „RBO – Inmitten gemeinnützige GmbH“ angesiedelt und wir können die Räumlichkeiten im RoBertO im Fennpfuhl nutzen. Es kommen im Durchschnitt zehn bis zwölf Kinder und die Treffen finden mittwochs und freitags von 10 bis 14 Uhr statt. Neben dem Deutschlernen sind die Zeit mit Gleichaltrigen und Abwechslung ganz wichtig. Die Kinder wurden durch den Krieg und die Flucht aus ihrem gewohnten Leben herausgerissen und verbringen nun ihre Zeit nur mit ihren Eltern. Einige haben Geschwisterkinder, aber mit ihren Freunden haben sie aktuell nur digital Kontakt. Bei uns im RoBertO können sie neue Freunde finden und wieder im persönlichen Kontakt reden, spielen und etwas unternehmen. Nicht zuletzt werden die Eltern oder Großeltern für einige Stunden entlastet und wissen ihre Kinder in guten Händen.
Wie bist du zu deinem Engagement gekommen und was motiviert dich dazu?
Der Krieg in der Ukraine hat in mir sehr viel Schmerz verursacht und tut es noch. Mir war sofort klar, dass ich was tun muss. So habe ich mich auf meine Kernkompetenzen besonnen. Ich arbeite jetzt zwar als freiberufliche Fotografin, war aber lange Zeit im sozialen Bereich und in der Gemeinwesenarbeit tätig. In den Jahren 2014-2016 habe ich darüber hinaus im Bereich der Geflüchteten-Hilfe gearbeitet. Außerdem spreche ich russisch, wodurch ich mich mit vielen Ukrainer:innen gut verständigen kann.
Der Krieg in der Ukraine hat in mir sehr viel Schmerz verursacht und tut es noch. Mir war sofort klar, dass ich was tun muss.
Ksenia Porechina, sie bietet Kindern aus der Ukraine Deutschunterricht an
Da sprichst du eine interessante Sache an: Wie wichtig sind denn Sprachkenntnisse für deine ehrenamtliche Aufgabe? Welche Kenntnisse oder Eigenschaften sollte man dafür mitbringen?
Russisch, oder noch besser Ukrainisch, zu können hilft uns sehr. Es vereinfacht die Kommunikation. Wir bilden in der Betreuung immer Zweier-Teams, wobei mindestens eine Person ukrainisch oder russisch spricht. Eine Ausbildung als Sprachenlehrer:in haben wir nicht. Auch perfekte deutsche Grammatikkenntnisse sind aus unserer Sicht in diesem Angebot nicht nötig. Es geht mehr darum, das Ankommen in Deutschland zu unterstützen und den Alltag zu erleichtern. Die deutsche Sprache beizubringen ist primär die Aufgabe der Schulen. Abgesehen von Sprachkenntnissen ist es für die Freiwilligen von Vorteil, wenn sie vorher schon mit Kindern oder Jugendlichen gearbeitet haben. Und regelmäßig Zeit zu haben ist wichtig, also Mittwoch oder Freitag von 10 bis 14 Uhr.
Wir kennen alle die Bilder des Krieges aus dem Fernsehen oder Internet. Eure Schüler:innen haben das selbst miterlebt. Ist das ein Thema bei euren Treffen und wie geht ihr damit um, dass die Kinder und Jugendlichen Traumatisches erlebt haben?
Die Kinder sind zunächst einmal Kinder. Allerdings haben sie eine Erfahrung der Entwurzelung gemacht. Von traumatischen Erlebnissen bekommen wir jedoch nicht viel mit und wir fragen auch nicht gezielt danach. Denn wir sind keine Therapeut:innen. Uns geht es darum, wieder etwas Normalität zu schaffen im Leben der Kinder und Jugendlichen. Mir ist aber bewusst, dass man im Umgang mit traumatisierten Menschen Fehler machen kann und behutsam und vorsichtig damit umgehen muss. Wer sich in diesem Bereich engagieren möchte, aber Bedenken hat, kann sich die Broschüre „Geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine – Eine Orientierung für Schulen“ der Unfallkasse Berlin zu Herzen nehmen. Natürlich spüre ich oft Trauer und Unsicherheiten, dazu kommen noch die ganz normalen kindlichen und pubertären Entwicklungsschritte, welche die Kids zu bewältigen haben. Es ist jedes Mal emotional, wenn ich dort bin. Mal ist jemand frustriert, mal gibt es untereinander Streit. Zugleich haben wir in der Zwischenzeit die Kinder gut kennen gelernt. Für uns sind sie nicht „ukrainische Kinder“ oder „Geflüchtete“, für uns sind sie Sascha, Nadja, Uliana und Slava.
Für uns sind sie nicht „ukrainische Kinder“ oder „Geflüchtete“, für uns sind sie Sascha, Nadja, Uliana und Slava
Ksenia Porechina
Das klingt nach einem herausfordernden Engagement, das aber auch erfüllend ist. Ihr seid zu fünft und könnt sicher noch Unterstützung gebrauchen – personell und durch Spenden.
Auf jeden Fall. Zum einen freuen wir uns über neue Teammitglieder. Aber auch wer sich das nicht zutraut oder wenig Zeit hat, kann uns anders unterstützen. Für einzelne Kinder suchen wir Mentor:innen, die sich eins-zu-eins-Begleitung vorstellen können. Wir rechnen hier mit einem Zeitaufwand von 2 bis 3 Stunden die Woche. Darüber hinaus kann das Angebot mit Geldspenden unterstützt werden. Wunderbar ist, dass die Kinder zur Zeit Mittagessen vom Café „Sonnenstrahl“ gestellt bekommen, das auch im Haus der Generationen ist (Träger: LWB – Lichtenberger Werkstätten gemeinnützige GmbH. Ein Unternehmen der Stiftung Rehabilitationszentrum Berlin-Ost). Aber darüber hinaus besorgen wir selbst vieles oder organisieren private Spenden. Sach- oder Geldspenden für Saft, Kekse und Obst würden uns entlasten. In den Sommerferien möchten wir außerdem Ausflüge und Workshops anbieten. Die richten sich dann auch an die Kinder und Jugendlichen, die vielleicht schon ein oder zwei Monate in der Schule waren und in den Ferien wieder in ein Loch fallen. Für sie möchten wir etwas auf die Beine stellen. Zum Beispiel einen Tanz-Workshop oder Capoiera-Workshop. Um dafür Trainer:innen oder Kunstpädagog:innen zu engagieren, brauchen wir Unterstützung.
Vielen Dank für das Gespräch!
Sie möchten helfen?
Für Informationen zum Mitmachen oder Spenden, bitte eine Email schreiben an roberto@rbo-inmitten.berlin (Betreff: Sprachangebot für ukrainische Kinder). Die Email wird an Ksenia Porechina weitergeleitet.
Hier können Sie sich die Broschüre „Geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine – Eine Orientierung für Schulen“ auf der Seite der Unfallkasse Berlin (PDF) herunterladen.
Dieser Text entstand in der Redaktion Zeigen, was geht!
Sie ist die Freiwilligen-Redaktion der oskar | freiwilligenagentur lichtenberg. Freiwillig Engagierte verfassen für die Redaktion Beiträge über Themen im Zusammenhang mit Engagement. Das Format der Beiträge kann in der Redaktion frei gewählt werden, neben Texten sind auch Videos oder anderes möglich. Die jährlich stattfindenden Freiwilligentage stehen besonders im Fokus. Die Zeigen, was geht! – Redaktion steht allen Interessierten offen. Wir treffen uns an jedem 2. Donnerstag im Monat. Wer mitmachen möchte, meldet sich bitte bei Gül Yavuz: guel.yavuz@oskar.berlin
Die Rubrik #oskarRedetMit vereint Interviews mit aktiven Menschen aus dem Bereich Engagement und Kiezkultur. Sie ist ein fester Bestandteil der Freiwilligenredaktion.