Wie ich im Urlaub einen schottischen Wanderweg repariert habe

Text und Fotos Fiona Finke

Berlin ist Europäische Freiwilligenhauptstadt 2021. Den Titel hat die Stadt nicht zuletzt wegen der vielen ehrenamtlich engagierten Menschen bekommen – dazu gehöre auch ich. Der Titel EUROPÄISCHE Freiwilligenhauptstadt lädt aber auch dazu ein, über die Grenzen zu schauen: Was machen Ehrenamtliche eigentlich in anderen europäischen Ländern und können wir Berliner:innen uns auch in einem anderen Land ehrenamtlich engagieren?

Ich habe 2017 im Urlaub eine Woche Freiwilligenarbeit in den schottischen Highlands gemacht und möchte euch davon berichten. Vielleicht macht es Lust, so etwas auch auszuprobieren, wenn das Reisen wieder leichter möglich ist.

Wie kam ich darauf, im Urlaub zu „arbeiten“?

Zunächst müsst ihr wissen, dass ich meinen Urlaub selten am Strand oder am Pool verbringe. Ich entdecke lieber Städte und Landschaften, fotografiere viel, wandere gerne und lerne etwas über das Leben vor Ort. Und genau dafür ist Freiwilligenarbeit wie gemacht: Kontakt zu Einheimischen finden und tiefer in die Umgebung eintauchen als es im Tourismus möglich wäre.

Im Urlaub in den Alpen hatte ich mich irgendwann gefragt: Wer kümmert sich eigentlich darum, dass die Wanderwege markiert und gesichert werden? Wir zahlen schließlich keinen Eintritt, wenn wir in den Bergen wandern oder klettern. Das finde ich toll und wollte gerne etwas zurückgeben.

Die Richtung für meine Suche nach einem Projekt war also klar. Wichtig war mir außerdem, dass ich die Sprache gut beherrsche. Das reduzierte die Suche auf deutsch- oder englischsprachige Länder. (Es gibt übrigens auch spezielle Programme, die ehrenamtlichen Einsatz mit Sprachschulen verbinden.) Nicht zuletzt musste es ein zeitlich begrenzter Einsatz sein. Meine Kriterien erfüllte am besten das Freiwilligenprogramm von „The National Trust for Scotland“.

Was war das für ein Projekt?

Ein mit Schlamm übertünchtes gelbes Quitscheentchen mit Helm, das wärend der Reparaturarbeiten gefunden wurde

Der National Trust for Scotland möchte die landschaftlichen und kulturellen Schätze Schottlands pflegen, zugänglich machen und für spätere Generationen erhalten. Dazu leisten mehr als 3500 ehrenamtlich engagierte Menschen über das ganze Land verteilt einen wichtigen Beitrag. Freiwillige werden zum Beispiel im Naturschutz, in der Archäologie, in Gärten oder als Touristenführer*in in Schlössern eingesetzt.

In der Online Datenbank fand ich ein Projekt, bei dem der Wanderweg auf den Ben Nevis (1345m), den höchsten Berg von Großbritannien, in Stand gesetzt werden sollte. Online füllte ich ein Formular aus. Neben den Kontaktdaten, wurden noch die Motivation für eine Teilnahme und mögliche Vorkenntnisse abgefragt. An sich sind in den meisten Projekten aber keine Vorkenntnisse nötig. Im Gegenteil können die Teilnehmenden noch Neues lernen. Voraussetzung waren nur ausreichende Englischkenntnisse. Ein Visum war für EU-Bürger nicht nötig, da Schottland zu dem Zeitpunkt Mitglied der Europäischen Union war. Kostenlos war die Teilnahme allerdings nicht, denn die Kosten für Unterkunft und Verpflegung vor Ort mussten von den Teilnehmenden übernommen werden. Hinzu kam bei mir die Anreise aus Berlin.

So machte ich mich an einem Septembertag 2017 auf den Weg von Schönefeld nach Edinburgh im südlichen Schottland und verbrachte zunächst eine Woche Urlaub in diesem schönen Land. Inklusive Monster von Loch Ness, Dudelsack-Musik und Harry Potter Stadtführung. Der touristische Teil kam also nicht zu kurz. Am Sonntagnachmittag wurde ich dann in Fort William, am Fuß des Ben Nevis, mit dem Kleinbus des National Trust abgeholt. Die anderen Teilnehmenden kamen etwa zur Hälfte aus Schottland und waren zur anderen Hälfte international: aus Spanien, Frankreich, USA, England und Deutschland. Zusammen mit dem hauptamtlichen Leiter waren wir 12 Personen. Das Alter reichte von 16 bis Rentner. Ein Vater war mit seinem Sohn dabei, zwei Schwestern waren zum ersten Mal in Europa, andere waren schon seit Jahren in der Organisation aktiv. Untergebracht waren wir in einem Cottage, also einem kleinen Landhaus, umgeben von Wiesen, Pferden und den Bergen.

Und was machten wir da so?

Am nächsten Tag ging es an die „Arbeit“. Schnell stellte sich heraus, dass der Wanderweg auf den Ben Nevis nicht die einzige Aufgabe war. Zunächst befreiten wir eine große Bergwiese von dichtem Bewuchs mit hohen Pflanzen. So richtig mit Sensen und Muskelkraft. Hintergrund war, dass diese Pflanzen in die Gegend eingeschleppt wurden und das Ökosystem stören. Auf den Wiesen sollten stattdessen Scots Pines (Waldkiefern) gepflanzt werden, um die Landschaft wieder ursprünglicher zu gestalten. Die Pflanzung wurde allerdings von einer beauftragten Firma übernommen, da es doch zu aufwändig und gefährlich für Laien wäre. Am nächsten Tag wurden Nistkästen für gefährdete Eulen zusammengebaut und auf hohen Pfählen am Waldrand aufgestellt. Wenn ich mich richtig erinnere, ging es darum, dass die Nester damit nicht von Fressfeinden erreicht werden können. Anders als Nester im Baum.

Für den Rest der Woche war dann aber der Wanderweg am Ben Nevis dran. Es ging um einen kleinen, überschaubaren Abschnitt im unteren Bereich. Wir mussten nur etwa eine halbe Stunde vom Parkplatz zu der Stelle gehen. Immer dabei: Spaten und Schubkarren. Am Einsatzort gab es wiederum verschiedene Aufgaben, die alle mal übernehmen konnten. Mit der Zeit fanden allerdings alle ihr Lieblingsgebiet. Der Wanderweg ist befestigt, aber nicht asphaltiert oder gepflastert. Stattdessen ist der Wegesrand mit Steinen eingesäumt um Erosion zu verhindern. Nun könntet ihr einwenden, dass Wandern naturnah sein soll und ein gut befestigter Weg das Naturerlebnis trübt. Das mag sein, allerdings ist der Mensch auch ein Eindringling in der Natur. Besonders wenn es sich um regelrechte Massen handelt, wie am höchsten Berg der Britischen Inseln. Deshalb ist es wichtig, dass die Menschen auf einem vorgegebenen Weg bleiben und nicht kreuz und quer durch die Botanik stapfen, wo zum Beispiel Vögel am Boden brüten oder seltene Pflanzen wachsen. Wenn der Wanderweg aber viele Pfützen und andere Hindernisse aufweist, weichen die Wandernden (verständlicherweise) vom Weg ab. Deshalb wollten wir den Weg wieder in Schuss bringen. Dazu gehörte, Felsbrocken versetzen, Wasserabflüsse von Schlamm befreien und Schlaglöcher mit kleinen Steinchen auffüllen. So verbrachte ich einige Stunden damit, in unserem kleinen Steinbruch die Spitzhacke zu schwingen und Steine nach Größe zu sortieren. Bei Sonnenschein immer umzingelt von einem Schwarm Midges, den in schottischen Sommern gefürchteten Mini-Mücken. Regelmäßig blieben Wanderinnen und Wanderer stehen, staunten über unsere Einsatzfreude und nicht selten hörten wir ein „Danke für eure wichtige Arbeit“.

Kann ich das weiterempfehlen?

Unbedingt. Der National Trust hat fantastisch für uns gesorgt: mit guter Unterkunft, reichlich Verpflegung und Shuttleservice vor und nach dem Einsatz. Der Spaß kam nie zu kurz und niemand wurde zu irgendetwas verpflichtet. Die Arbeit war wirklich freiwillig. Auf Arbeitssicherheit wurde ebenso wert gelegt wie auf regelmäßige Pausen (mit obligatorischem Tee). Die Gruppe war bunt gemischt, beim Alter, Sprachkenntnissen und auch handwerklichen Fähigkeiten. Ich hatte den Eindruck, niemand kam sich ausgeschlossen oder überfordert vor. Die Hauptamtlichen waren alle sehr professionell und haben die Aufgaben geduldig und verständlich erklärt. Jeden Abend war ein anderes Duo fürs Kochen zuständig. Von Spaghetti bis zum schottischen Nationalgericht Haggis, war alles erlaubt – natürlich immer mit vegetarischer Alternative. Danach wurden meistens Gesellschaftsspiele gespielt. Das WLAN im Haus war übrigens sehr schlecht. Das war wiederum gut für das Gemeinschaftsgefühl. An unserem freien Tag ging es mit dem Minibus auf Tour zu den Sehenswürdigkeiten der Highlands. Und die ganz Mutigen waren sogar im kalten Meer schwimmen.

Ich denke noch oft an die Zeit zurück. Und wenn ich wieder mal in den Alpen oder in den Brandenburger Wäldern unterwegs bin, dann bleibe ich wenn möglich auf den Wegen.

Panoramalandschaft der Highlands mit See und Bergen

Dieser Artikel entstand in der Redaktion Zeigen, was geht!

Sie ist die Freiwilligen-Redaktion der oskar | freiwilligenagentur lichtenberg. Freiwillig Engagierte verfassen für die Redaktion Beiträge über Themen im Zusammenhang mit Engagement. Das Format der Beiträge kann in der Redaktion frei gewählt werden, neben Texten sind auch Videos oder anderes möglich. Die jährlich stattfindenden Freiwilligentage stehen besonders im Fokus. Die Zeigen, was geht! – Redaktion steht allen Interessierten offen. Wir treffen uns an jedem 2. Donnerstag im Monat. Wer mitmachen möchte, meldet sich bitte bei Gül Yavuz: guel.yavuz@oskar.berlin

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