#oskarRedetMit – Janek Magister, Sozial-
wissenschaftler

Fotos: Janek Magister und Wolfgang Haensel

Sozialwissenschaftler und Initiator einer „Umfrage für Hohenschönhausen“

„Platte Machen für Hohenschönhausen“ – in diesem Projekt politischer Bildung machen sich Freiwillige einen Kopf über, besser gesagt für Hohenschönhausen. In offenen Runden wird über alles diskutiert, was gerade auf den Nägeln brennt. Gemeinsam werden Filme im Kino oder Fernsehen geschaut und dann darüber diskutiert. Zwei Beispiele, was im Projekt so los ist. Auf alle Fälle sind Meinungen gefragt. Und da liegt es auch nahe, in einer Meinungsumfrage herauszufinden, was Hohenschönhausener:innen über Politik so denken.

Die Idee für die Umfrage entstand bereits im Frühling und Sommer 2021 während eines Praktikums, das Janek Magister als Student der Sozialwissenschaften an der Berliner Humboldt Universität bei „Platte Machen“ absolvierte. Im Sommer 2022 wurde die Umfrage dann gestartet. Seit Mai liegen die Ergebnisse nun vor. Gemeinsam mit Thomas Stange, der das Projekt „Platte Machen für Hohenschönhausen“ bis Ende Mai 2023 leitete, hatte Janek Magister Vorbereitung, Durchführung und Auswertung in der Hand. Wir sprachen mit ihm über die Anliegen und Ergebnisse der Umfrage.

In einem raum vier Menschen auf Stühlen vor einer Projektion mit Hochhäusern
Präsentation der Umfrageergebnisse
oskar: Meinungsumfragen sind ja die Sache von Meinungsforschungsinstituten. Wollen Sie denen Konkurrenz machen? Wie ist es denn zu der Idee gekommen, selbst so eine Umfrage zu starten? Gab es einen Anlass oder einen Auslöser dafür?


Janek Magister: Ich würde unsere Arbeit nicht wirklich mit der von großen Instituten vergleichen – das ist allein schon deswegen nicht möglich, weil unsere Mittel im Vergleich viel geringer sind. Natürlich haben wir irgendwo ähnliche Methoden verwendet wie in der allgemeinen Meinungsforschung, dennoch gibt es aus meiner Sicht große Unterschiede bei Motivation und Vorgehen: So ist das Hauptziel des Projektes „Platte Machen“ nicht das reine Sammeln von Daten, sondern persönlich mit Menschen aus unserem direkten Umfeld in Hohenschönhausen ins Gespräch zu kommen, über Themen die wir für wichtig halten.

Im Endeffekt war die „Umfrage für Hohenschönhausen“ also ein Versuch, die Projektarbeit in einer neuen Form auszuprobieren, mit der Hoffnung neue Perspektiven zu gewinnen.

Janek Magister

In diesem Sinne waren Umfragen schon immer Teil des Projektalltags, zumeist in persönlichen Gesprächen auf der Straße oder bei Veranstaltungen. Das Medium der Online-Umfrage ermöglicht es im Anschluss daran vor allem, eine größere Anzahl an Leuten zu erreichen, gleichzeitig auch deren Antworten besser zu erfassen und vergleichen zu können. Da spielt dann auch eine Rolle, dass ich durch meine methodische Ausbildung an der Uni ein Know-How mitgebracht habe, was vorher im Projekt noch nicht vorhanden war. Im Endeffekt war die „Umfrage für Hohenschönhausen“ also ein Versuch, die Projektarbeit in einer neuen Form auszuprobieren, mit der Hoffnung neue Perspektiven zu gewinnen. Die Arbeit von Meinungsforschungsinstituten ist hingegen umfassender, allerdings auch oft nicht so anwendungsnah.

Ein Hochhaus mit einem niedrigen alten Haus davor
Typisch Hoheneschönhausen
Der Fragekatalog der Umfrage enthielt ja etliche Fragen. Zum Beispiel gehörten dazu: Was macht gute Lokalpolitiker:innen aus? Wie stehen Sie zu den Öffentlich-Rechtlichen Sendern? Wie sehr fühlen Sie sich Hohenschönhausen verbunden? Wie ist es denn zu diesem Fragenkatalog gekommen? Wer hatte die Verantwortung für die Auswahl der Fragen, die in den Katalog aufgenommen wurden?


Bei der Erstellung eines Fragebogens müssen verschiedene Dinge bedacht werden – zunächst einmal praktische Sachen, wie dass er nicht zu lang sein sollte und alle Fragen von möglichst vielen Leuten auch ohne tiefes Vorwissen beantwortet werden können. Davon abgesehen haben wir uns im Vorhinein überlegt, was die wirklich wichtigen Themen sind, die die Leute politisch bewegen, gleichzeitig wollten wir auch persönliche Erfahrungen prüfen. Thomas Stange, der das Projekt „Platte Machen für Hohenschönhausen“ 4 Jahre lang geleitet hat, konnte da viel Input geben, welches aus den Eindrücken seiner langjährigen Arbeit entstanden ist. Die Frage mit den Lokalpolitiker:innen kommt zum Beispiel daher, dass diese für die Menschen vor Ort oftmals den unmittelbarsten Berührungspunkt zum großen Feld der Politik darstellen, also sehr greifbar sind. Da wollten wir dann wirklich einfach wissen, was von denen eigentlich konkret erwartet wird.

Gerechnet hatten wir mit ca. 100 Teilnehmenden, am Ende waren es 406, die den Fragebogen vollständig ausgefüllt haben.

Janek Magister
Und was macht nun aus Sicht der Umfrageteilnehmenden gute Lokalpolitiker:innen aus?

Mit Abstand am häufigsten genannt wurde die Eigenschaft „Ehrlichkeit“, sehr wichtig war den Befragten aber auch allgemein die Nähe zu den Bürger:innen vor Ort. Da gab es dann auch konkrete Vorschläge, wie regelmäßige Status-Uptdates zu politischen Entscheidungen und Prozessen, z.B. auf einer Info-Veranstaltung. Einordnent könnte gesagt werden, die Befragten wünschen sich eine:n engagierte:n Vermittler:in, die/der konkreten Bedürfnissen nachgeht und diese auch auf eine höhere politische Ebene trägt.

Wie haben Sie die Umfrage publik gemacht? Ein von freiwilliger Arbeit getragenes Projekt wie Platte machen für Hohenschönhausen hat da ja begrenzte Möglichkeiten. Und wie zufrieden sind Sie mit der Resonanz?

Wir waren von der Resonanz sehr stark positiv überrascht. Gerechnet hatten wir mit ca. 100 Teilnehmenden, am Ende waren es 406, die den Fragebogen vollständig ausgefüllt haben. Und nochmal 100, die ihn teilweise abgeschlossen haben. Wir haben über die Social-Media-Kanäle von „Platte Machen“ geworben und zusätzlich Flyer in Briefkästen verteilt. Außerdem haben wir unter den Teilnehmenden u.a. einen Gutschein für ein Restaurant verlost – so haben wir auch Menschen erreicht, die sich sonst eher weniger von Art und Aufmachung des Projektes angesprochen fühlen.
Gut war auch, dass trotz des Formats der Online-Umfrage auch viele ältere Menschen teilgenommen haben, was sonst oft ein Problem ist. Ein Problem war, dass wir nicht die Mittel für eine oder mehrere Übersetzungen hatten und die Umfrage so nur auf Deutsch angeboten werden konnte. Somit sind in unserer Umfrage Menschen mit einer anderen Muttersprache leider stark unterrepräsentiert. In einem Stadtteil wie Hohenschönhausen, in dem viele Menschen mit einer Migrationsgeschichte leben, ist das natürlich sehr schade.

Eine Projektion in bunt mit Fakten
Janek Magister spricht über die Ergebnisse der Umfrage
Sie berichten, dass Sie Flyer verteilt haben. Das haben ja sicher nicht Thomas Stange und sie allein bewältigt. Wer war denn da alles mit dabei? Wer hat das Umfrageprojekt alles tatkräftig unterstützt?

Doch, das haben wir im Wesentlichen alleine gemacht. Wir hatten allerdings mit drei Monaten auch einen recht langen Umfrage-Zeitraum, da mussten wir nicht alle mit einem Mal verteilen. Geholfen haben aber natürlich trotzdem einige Menschen: Danken möchte ich vor allem denen, welche die Umfrage vor dem Start testweise absolviert und durch Anmerkungen und Kritik erweitert und verfeinert haben. Auch bei der statistischen Auswertung der Daten hatte ich tatkräftige Unterstützung von einer befreundeten Person. Am Ende wäre das alles aber natürlich auch nicht möglich gewesen, ohne alle Menschen, die an der Umfrage teilgenommen haben, also hier auch nochmal ein großes Dankeschön!

Die Ergebnisse von Meinungsumfragen können eigene Einschätzungen und Standpunkte bestätigen. Das ist ja schon mal was. Besonders erfreulich ist, wenn neue Erkenntnisse und Sachverhalte gewonnen werden oder zu Tage treten. Meist ist es eine Mischung aus beiden. Was hat Sie denn bei den Ergebnissen der Umfrage am meisten überrascht? Und was fangen Sie mit den Ergebnissen nun an?

Das stimmt, viele Antworten bestätigen oder erweitern Eindrücke, die wir bereits in unserer alltäglichen Arbeit gemacht haben. Besonders ergiebig waren hier die Fragen, wo schriftliche Antworten gewünscht waren, wie zum Beispiel welche Angebote bzw. politische Beteiligungsmöglichkeiten sich Leute im Stadtteil wünschen würden. Da gab es einige konkrete Vorschläge und Anregungen, auch für die Politik direkt.

Sonst drehten sich viele Fragen darum, ob und inwiefern sich Menschen selbst politisch beteiligen, sowohl lokal als auch darüber hinaus. Da waren die Antworten leider teilweise etwas ernüchternd, da viele der Befragten schon von sich aus gesagt haben, dass sie keinen wirklichen Bezug zum politischen Betrieb haben bzw. sich nicht oder nur teilweise dafür interessieren. Auch die konkrete Beteiligung in den letzten Jahren zum Beispiel über Bürger-Sprechstunden oder Teilnahme an Demonstrationen war eher gering – hier müssen aber natürlich auch die Auswirkungen der Pandemie bedacht werden.

Da gab es einige konkrete Vorschläge und Anregungen, auch für die Politik direkt.

Janek Magister

Gleichzeitig hatten wir bei den Teilnehmenden kaum Nichtwähler:innen, was sehr spannend ist, weil so die Frage entsteht, was ‚politisch sein‘ für die Menschen überhaupt bedeutet. Außerdem unterschieden sich die Antworten teilweise sehr stark nach Faktoren wie Alter oder Geschlecht. Ich habe mit Hilfe eine:r Kommiliton:in bereits ein paar statistische Analysen in diese Richtung durchgeführt, hier ginge aber in jedem Fall noch mehr. An diesen Punkten könnten also weitere Untersuchungen ansetzen, um auch nach den Ursachen für die Antworten zu suchen. Bei unserer Ergebnis-Präsentation waren übrigens auch einige Vertreter:innen der lokalen Politik vor Ort und haben auf mich persönlich einen sehr interessierten Eindruck gemacht.

Sie haben die Erfahrung gemacht was geht. Wird es bei „Platte Machen für Hohenschönhausen“ weitere solche Umfragen geben oder war das ein einmaliges Projekt?

Das hängt ganz von der Zukunft des Projektes Platte Machen ab. Ich hoffe, dass sich bald ein:e Nachfolger:in für die Leitung findet – diese könnte dann auch mit den Daten dieser Umfrage noch viel anfangen und weiter auf den Ergebnissen aufbauen.

Wichtig finde ich es aber zu sagen, dass es uns bei der ganzen Sache nicht nur um das Sammeln vieler verschiedener Daten gegangen ist– wir betrachten vielmehr jede Antwort für sich als einen Beitrag mit dem wir arbeiten können.
In dem Sinne wäre dann der Hauptgrund für weitere Umfragen, dass uns neue brennende Themen begegnen, die wir auf diese Weise erforschen wollen und eine große Umfrage keinen reinen Selbstzweck darstellt. Ich glaube aber, dass unsere Umfrage an diesem Punkt der Arbeit eine sehr gewinnbringende Idee war und auch in Zukunft eine der vielfältigen Möglichkeiten für die aufsuchende politische Bildung darstellen kann.

Mehr Infos zu dem Projekt Platte Machen in Hohenschönhausen

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Dieses Interview entstand in der Redaktion Zeigen, was geht!
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