Zeigen, was geht! OnSite Festival – im alten Kesselhaus

Unter der Rubrik Zeigen, was geht! finden Sie Berichte, persönliche Eindrücke und Fotos zu den Mitmachaktionen der Freiwilligentage. Ein schöner Rückblick auf den aktiven September.

 

Damit hatte ich in Herzberge nicht gerechnet. Der Landschaftspark, das Klinikgelände und das Museum Kesselhaus kannte ich bisher als beschauliche Gegend mit Bäumen, Wiesen, Schafen und historischen Backsteingebäuden. Ideal für Spaziergänge, zum Joggen oder für Blumenfotografie bei der StadtFarm.

Ein schlichtes weißes Schild auf dem Boden mit aufgedrucktem Text
Teil der Performance: Aufforderung, sich einen Eimer zu nehmen und die Treppe herauf zu laufen

Doch vom 9. bis 11. September 2022 verwandelten sich das alte Kesselhaus und seine Umgebung in einen Ort zeitgenössischer Kunst. Hier wurde das OnSite Festival mit Kunstinstallationen und Performances veranstaltet. So fand ich mich am Sonntagnachmittag im Hof des restaurierten Industriegebäudes auf Steinplatten sitzend wieder und sah einer nackten Person zu, die stocksteif in einer Ecke des Innenhofes stand, während ihr alle paar Minuten ein Eimer Wasser über den Kopf geschüttet wurde. Wahrscheinlich wäre ich nicht überrascht gewesen, dieselbe Performance in Kreuzkölln zu sehen. Die anderen Zuschauenden sahen nach hippen Kunststudierenden in einer Friedrichshainer Galerie aus. Irgendwie ungewohnt hier zwischen Zentralfriedhof und IKEA. Doch eigentlich ist es nicht überraschend, dass sich Herzberge als kunstfreundlicher Ort etabliert. Schließlich sind in der angrenzenden Herzbergstraße zahlreiche Kunstschaffende ansässig. Das Gebiet war vor wenigen Jahren sogar als neuer großer Kunststandort des östlichen Berlin im Gespräch.

Menschen sitzen in einem Innenhof  auf dem Boden. Sie blicken auf eine eine nackte Frau, die ganz hinten  in der Ecke steht
Performance im Hof des Kesselhaus

Ehrenamtliches Engagement für Kunst und Technik

Das OnSite Festival war der krönende Abschluss einer mehrwöchigen Künstler:innen-Residenz. Künstler:innen aus verschiedenen Ländern waren zusammengekommen, um sich auf vielfältige Weise mit dem Herzberge-Gelände zu beschäftigen. Historische und soziologische Aspekte der früheren „Irrenanstalt Herzberge“ (heute Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge) konnten ebenso in die entstehende Kunst einfließen, wie die Flora und Fauna des kleinen Stadtwaldes oder die Ästhetik der alten Inschriften an den Backsteingebäuden.

Die Ehrenamtlichen des Museum Kesselhaus hatten alle Hände voll zu tun mit der Organisation und Durchführung der Residenzwochen und des Festivals. In „normalen“ Zeiten zeigt das Museum Kesselhaus Industrie- und Medizingeschichte. Das Gebäude von 1893 wurde bis 1991 für die Wärmeversorgung der Klinik genutzt, auf deren Gelände es steht. Durch den Einsatz des Museumsvereins wurde das Kesselhaus in den 2000ern restauriert und die engagierten Ehrenamtlichen bieten regelmäßig Führungen an.

Ich fühlte mich wie bei einem Waldspaziergang, wenn man unerwartet ein Reh im Unterholz oder eine Eule auf einem Ast sieht.

Fiona Finke, Redakteurin in der oskar | freiwilligenredaktion

Unter anderem sind in dem Industriedenkmal drei Generationen Heizkessel aus 100 Jahren zu sehen. Das ist spannender als es klingen mag. Die großen, dunklen Kessel mit ihren Rohrsystemen und historischen Plaketten; der Kontrast von hohen Räumen und verwinkelten Ecken; der Geruch von Öl und Metall; zusammen erzeugen sie diesen typischen Charme, der Industriedenkmäler zu beliebten Orten für Events aller Art macht. Die Künstler:innen des OnSite Festivals bespielten das ganze Gebäude. Der Eintritt war übrigens frei.

Raum für eigene Interpretationen

Nachdem ich mir eine Weile so meine Gedanken zu der Wasser-auf-nackte-Person-Performance gemacht hatte, sah ich mich im Gebäude um. Ich sah neben Videos und Texten auch so unterschiedliches wie eine Installation mit Badewanne und Kunstwerke aus Ästen und anderen Naturmaterialien.

Rot-weiße Broschüre
Programm des OnSite Festivals

Themen waren zum Beispiel Mensch und Natur oder auch Geschlecht und Gender. Wie es zeitgenössische Kunst an sich hat, war das Thema eines Kunstwerks oder einer Performance oft nicht eindeutig sondern lies Raum für eigene Interpretationen. So auch ein hoher, heller Raum, in dem zahlreiche grüne Luftballons von der Decke hingen und vom Boden hinauf strebten. Erst nach längerem Hinsehen nahm ich eine Person wahr, die dazwischen auf einem Podest kauerte und sich nicht rührte. Ich fühlte mich wie bei einem Waldspaziergang, wenn man unerwartet ein Reh im Unterholz oder eine Eule auf einem Ast sieht. Wer nun auch Lust bekommen hat, experimentelle Kunst im Herzen von Lichtenberg zu erleben, sollte die Augen offen halten nach zukünftigen Aktionen des Museum Kesselhaus. Dafür werden auch immer wieder Freiwillige gesucht, für die ein spannender Einblick hinter die Kulissen garantiert ist.

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Dieses Interview entstand in der Redaktion Zeigen, was geht!
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