#oskarRedetMit – Marion Platta, Mitglied im Bürgerverein Fennpfuhl

Die Fragen stellte Peter Breitfeld Fotos: Marion Platta / Bürgerverein Fennpfuhl e.V.

Der Fennpfuhl begeht in diesem Jahr ein Jubiläum. Am 1. Dezember jährt sich zum 50. Mal, dass mit der Grundsteinlegung für das Doppel-Hochhaus am Roederplatz der Startschuss für die Bebauung des heutigen Lichtenberger Stadtteils fällt. In den folgenden Jahren wird die erste zusammenhängende Fertigteil-Großwohnsiedlung der DDR errichtet. Im Bürgerverein Fennpfuhl laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, um das Jubiläum würdig zu begehen. Marion Platta engagiert sich dort seit Jahren. Oskar sprach mit ihr über Liebenswertes im Kiez, über Wehwehchen und Kratzer, die man als 50jähriger so hat, über Bürgergutachten, über Vorhaben zum Jubiläum und über Lieblingsplätze.


oskar: Ihre Eltern sind mit Ihnen in den Fennpfuhl gezogen, da waren Sie zwei Jahre alt. Sie haben also dort nicht nur die letzten 50 Jahre gelebt, die jetzt Anlass für das Jubiläum sind. Erzählen Sie doch was aus Ihrer Kindheit. Wie sah es im Fennpfuhl aus, bevor das große Neubauprojekt gestartet wurde?

Aktion „Sauberer Fennpfuhl“


Marion Platta: Wir sind in die ersten Neubauten im Gebiet an der Erich-Kuttner-Straße gezogen. Auf den Wohngebietsstraßen konnten wir Rollschuh fahren, denn für Autos mussten wir nur selten Platz machen. Den Schulweg bis zur heutigen Volkshochschule sind wir meistens zu Fuß gegangen – das waren damals zwei Straßenbahnstationen. Aber wenn wir sicher pünktlich sein wollten, dann ging das am besten zu Fuß und mit schnellem Schritt. Für den Rückweg wählten wir auch gern den Umweg durch die Gärten. Dieser Weg war schöner als an der Straße und wir konnten eine Schülerin noch länger begleiten. Der Fennpfuhlsee lag eher versteckt und gehörte für uns in den Bereich Abenteuer. Durch die beginnenden Bauarbeiten im Gebiet Anfang der 1970er Jahre, die ich vom Klassenzimmerfenster auch gut verfolgen konnte, hat sich mein Berufswunsch ergeben. Ich wollte auch bauen. Gute Wohnungen brauchen ja alle Menschen. Am liebsten wäre ich Kranfahrerin geworden – so mit viel Überblick. Gelernt habe ich Betonwerkerin mit Abitur schon im Wohnungsbaukombinat Berlin, da war das spätere Ingenieursstudium schon eingeplant.


Sie sind Bauingenieurin. Nach dem Studium an der Ingenieurhochschule Cottbus haben Sie 1984 im damaligen Wohnungsbaukombinat Berlin angefangen, genauer gesagt im VEB Projektierung. Hatten Sie damals schon in Ihrer Tätigkeit mit dem Fennpfuhl zu tun?


Während des Studiums vor der Diplomarbeitsphase traf ich im Praktikum an der Landsberger Allee in den Bürocontainern das erste Mal auf die Projektantinnen vom Fennpfuhl. Mich hat es dann allerdings nach dem Studium in das Jugendforscherkollektiv Innerstädtischer Wohnungsbau des VEB Projektierung verschlagen. Wir haben die 7- bis 8-Geschosser an der Frankfurter Allee Süd in Friedrichshain geplant und betreut bis zur Fertigstellung über die politische Wende hinaus. Mein Lebensmittelpunkt aber ist der Fennpfuhl geblieben.

Der Satz des Baustadtrats (CDU) „Die Bürger müssen begreifen, dass sie eine Wohnung gemietet haben und nicht die Gegend“ gab dann unserem Tun noch den letzten Ansporn

Ich habe was von einem Bürgergutachten gehört, das Sie vor einigen Jahren maßgeblich initiiert haben. Da waren Sie bereits Kommunalpolitikerin. Es soll das erste seiner Art gewesen sein. Was hat es damit auf sich?

AKSE-Rundgang im Wohngebiet

Für Berlin war unser Bürgergutachten für den Fennpfuhl Mitte der 1990er Jahre das erste seiner Art. Nach der politischen Wende wurden viele Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung bei der Gestaltung unserer Wohngebiete gesucht, weil der Druck der Umgestaltung durch Investoren größer wurde. Das Bedürfnis, am Erhalt und der funktionalen Verbesserung der gewohnten Umgebung beteiligt zu sein, stellte aber bei den Bürgerinnen eben auch ein Gefühl der Mitverantwortung dar. Mit einer Kollegin von Bündnis 90/die Grünen aus der BVV, dem Bürgerverein Fennpfuhl und dem ehemaligen Komplexarchitekten für das Quartier, den ich ja auch schon durch die Arbeit bei der Projektierung kennengelernt hatte, habe ich mit vielen Bürger:innen viel diskutiert und Entwicklungsziele im Bürgergutachten festgehalten. Es gab Arbeitsgruppen zu Themen wie Grünflächen, Verkehr, Bebauungen auch zur sozialen Infrastruktur. Alles lief ehrenamtlich und selbstorganisiert ab. Natürlich haben wir nach Erfahrungen aus dem Westen geschaut und sind bei den „Planungszellen“ fündig geworden. Die Lichtenberger Verwaltung war eher skeptisch. Der Satz des Baustadtrats (CDU) „Die Bürger müssen begreifen, dass sie eine Wohnung gemietet haben und nicht die Gegend.“ gab dann unserem Tun noch den letzten Ansporn. Ich habe meinen beruflichen Hintergrund nutzen können, Pläne erstellt und Texte mitverfasst. Am Ende haben wir durch diese ernsthafte Arbeit an der Sache eine Fläche für (freizeit-)sportliche Zwecke erhalten können, die sonst einem Luxuswohnprojekt mit 220 Wohnungen zum Opfer gefallen wäre. Für den ganzen Fennpfuhl haben wir Defizite aufgezeigt und klare Entwicklungsziele festgehalten, die Eingang in die Fachplanung späterer Jahre fanden.

Sie leben seit der Kindheit im Fennpfuhl und wohnen mit Ihrer Familie auch heute dort. Die Menschen vom Fennpfuhl haben Sie drei Wahlperioden hintereinander ins Berliner Angeordnetenhaus gewählt, für Die Linke immer mit Direktmandat. Ihr Abgeordnetenbüro war offen für die Leute im Kiez. Sie sind engagiert im Bürgerverein. Sie kennen also die Leute. Was bewegt heute Menschen im Fennpfuhl? Wo drückt ihnen der Schuh?

Was die Leute bewegt, ist immer eine vielfältige Mischung. Oftmals geht es um Mitsprachemöglichkeiten bei Bauvorhaben, zum Beispiel im Schulsanierungsprogramm und bei Ersatzbauten. Ganz große Themen sind die Wohnungssuche und der Kitaplatz und ausreichende Schulplätze. Viele engagieren sich für Sauberkeit und grüne Höfe. Immer wieder Thema ist auch die sichere Querung der Landsberger Allee, überhaupt sichere Schulwege. Im nördlichen Teil des Fennpfuhl sind die Handelseinrichtungen ein großes Thema. Nicht zuletzt bewegt auch die Absicherung des Schwimmhallenbetriebs. Sicher ist das noch nicht alles.

Mit 50 hat man schon so seine Wehwehchen und Kratzer. Was finden Sie ist liebenswert am Fennpfuhl? Und wo ist aus Ihrer Sicht eine Verjüngungskur dringend geboten?

Pflanzaktion Wasserwand

Ich bin davon überzeugt, dass die Ansprüche an den Kiez andere sind, wenn man im Kiez älter wird als beim Neuhinzukommen. Meine Entdeckerphase ist lange vorbei. Klar wünsche auch ich mir, dass der Fennpfuhl in sich als Stadtteil mit guten kurzen Wegen zwischen den Lebensinhalten funktioniert. Und es ist sicher nicht nur mein Wunsch, dass die Bürger:innen im guten Miteinander sich hier wohlfühlen und Möglichkeiten der Beteiligung für die stete Entwicklung des Stadtteils nutzen und bewahren, wie zum Beispiel im Bürgerverein Fennpfuhl.
Ich habe die Verluste in der städtebaulichen Struktur miterlebt, die mit der Änderung der Bevölkerungsstruktur und der -Bedürfnisse der 1990er Jahre einhergingen. Nur Stichworte: Abriss von Kitas und Schulgebäuden, Überbauung von Schulgärten und Wohnhöfen, Verlust an Sportflächen, Verlagerung des Ruhenden Verkehrs in das Wohngebiet, Vernachlässigung der Pflege von Grünflächen und des Altbaumbestandes…
Die Resultate fallen uns heute auch sichtbar auf die Füße. Ich wünsche mir deshalb, dass Planende im Bezirk aber auch im Land immer einen Blick aufs Ganze – eine enkeltaugliche Zukunft – haben und finanzielle Engpässe des Momentes nicht zum Vorwand für Veränderungen nehmen.
Immer noch brauchen einige Wohnhochhäuser eine neue Fassade, sind Wege noch nicht für alle Rollis oder auch Kinderwagen geeignet und das Stadtteilzentrum nicht auf Dauer gesichert. Der „Basisbericht Umweltgerechtigkeit – Grundlagen für die sozialräumliche Umweltpolitik“ weist für den Fennpfuhl-Ost (Gebiet östlich des Weißenseer Weges) Missstände aus. (https://datenbox.stadt-berlin.de/filr/public-link/file-download/8a8ae3ab73c9245d0173fc744ea3719c/2007/6593154860902717743/umweltgerechtigkeit_broschuere.pdf)
Dort gibt es für die dort Lebenden deutliche Nachteile – zu hohe Lärm-, Luft- und thermische Belastungen sowie eine zu geringe Grünflächenversorgung. Diese Missstände abzubauen, damit gesundheitliche Belastungen für Menschen gemindert werden, ist eine zwingende Aufgabe für und mit den Bürger:innen in den nächsten Jahren.

Seit wann arbeiten Sie im Bürgerverein mit? Und was gibt Ihnen das Engagement dort? Welchen Rat haben Sie für Jemanden, der auch gern mitmachen möchte, aber noch zögert oder sich nicht so recht traut?

Putztag der Fennpfuhl Stelen

Zahlendes Mitglied im Verein bin ich erst seit 2003. Meine Aktivitäten haben zuvor aber schon in der Initiative zur Städtebaulichen Entwicklung im Fennpfuhl begonnen, die mit der Erarbeitung des Bürgergutachtens startete und später zum Arbeitskreis im Bürgerverein wurde. Unsere AKSE, so nennen wir bei uns den Arbeitskreis Städtebauliche Entwicklung, ist nach wie vor ein aktiver Kern, der sich regelmäßig über verschiedene Vorhaben im Ortsteil austauscht, Vorschläge für die Bezirkspolitik entwickelt und Begehungen durchführt. Für Bürgerinnen und Bürger, die sich engagieren wollen, lohnt sich gerade in diesem Jahr ein „Schnupperkurs“ bei den Aktivitäten. Wir haben auf dem Anton-Saefkow-Platz einen Schaukasten, in dem auch von Stadtteilzentrum über Aktionen informiert wird, die zum Teil durch den Bürgerverein mitorganisiert werden. Wir sind wieder beim „Langen Tag der StadtNatur“ am 11./12. Juni mit einer Baumwanderung im Fennpfuhlpark dabei und natürlich ist auch das Fennpfuhlfest am 16. September eine gute Gelegenheit am Stand des Vereins vorbei zu schauen, um nur zwei Dinge hervorzuheben. Jede und jeder, die/der für ein gutes Miteinander in unserem Ortsteil eintritt und wirken möchte, dazu noch Ideen zur Weiterentwicklung hat, ist willkommen. Im Bürgerstübchen am Anton-Saefkow-Platz haben wir einen regelmäßigen Treffpunkt für Gespräche und mehr.

Was bereitet der Bürgerverein denn vor für das Jubiläum? Wird es eine große Fete geben zum 50?

Über die Bezirksverordnetenversammlung haben wir eine Fachtagung über die Großsiedlung Fennpfuhl durch den Bezirk angeregt, die nun auch am 01. Dezember durchgeführt werden soll. Bisher gab es auch aus der Bürgerschaft für solche Veranstaltungen ein großes Interesse. Unser Verein bereitet außerdem eine neue Broschüre über „Kunst am Bau“ vor, in der neben dem vielen Zuwächsen in der Zeit auch die im Laufe der Zeit verschwundenen Kunstwerke aufgeführt werden sollen. Zum Glück gab und gibt es im Fennpfuhl auch viele Hobbyfotograf:innen und viele Wissensträger:innen zu den einzelnen Objekten, so gibt es ausreichendes und sicher für viele auch interessantes Material. Geplant ist auch ein Buch über Menschen aus dem Fennpfuhl, die ihre Geschichten erzählen – da bin ich auch sehr gespannt. Natürlich wollen wir auch weitere Verschönerungsaktionen durchführen. Beim Frühjahrsputz in diesem Jahr z. B. haben wir die Fläche vor der ehemaligen Wasserwand (Eingang von der Straßenbahnhaltestelle Anton-Saefkow-Platz) neu bepflanzt und rundherum gesäubert. Im Sommer planen wir auch wieder eine große Reinigungsaktion für den See gemeinsam mit „Junge Tauchpioniere“. Nachlesen lassen sich alle Termine in der Kiezzeitung 220202_RZ_Kiezblick_8_Web.pdf (stz-lichtenbergnord.de).


Noch eine etwas private Frage. Gibt es Orte im Fennpfuhl, wo man Marion Platta häufig antreffen kann? Jeder hat ja so seine Lieblingsplätze im Kiez. Sie auch?


Nein, eigentlich habe ich keinen Lieblingsort im Fennpfuhl. Außer an den Spielplätzen, als die Kinder noch klein waren, bin ich kaum lange an einem Ort. Mir gefällt am Fennpfuhl die städtebauliche Struktur – das urbane Zentrum am Anton-Seafkow-Platz, die Parkanlagen von der Storkower Str. bis zur Landsberger Allee mit den angrenzenden Wohngebieten, in die Kitas und Schulen für kurze Wege integriert sind. Daher sind es eher die Lieblingswege durch den Fennpfuhl, bei denen man mich treffen kann. Beim Rundgang um den See mit einem Stopp an den Stelen des Gedenkens, über den Anton-Saefkow-Platz vorbei an der Bibliothek bis zum Volkspark Prenzlauer Berg. Einen Bummel an der Oderbruchkippe. Oder eine Runde am Storkower Bogen zum Buchladen und in die Werksküche.

Dieser Text entstand in der Redaktion Zeigen, was geht!
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