#oskarRedetMit – Fiona Finke, Wahlhelferin und freiwillige Redakteurin

In einem gemütlichen Café im Kaskelkiez treffe ich Fiona an einem Samstagvormittag. Sie macht bei der Freiwilligenredaktion von oskar mit und hat sich im September 2021 als Wahlhelferin in Berlin engagiert. Anlässlich der Wahlwiederholung um 12. Februar 2023 sprechen wir über ihre Erfahrung damals und die Begeisterung für das Ehrenamt.

oskar: Was waren deine Aufgaben bei der Wahl 2021?

Fiona Finke: Ich war in einem Briefwahlzentrum als stellvertretende Wahlleitung. Zu Beginn musste ich das Öffnen und Sortieren der Briefe überwachen. Später habe ich auch mitgezählt. Wir teilten uns in zwei Teams auf: ein Team zählte die Bundestagswahl – da war ich mit dabei – und eins die anderen Stimmzettel der Bezirks- und Senatsebene sowie den Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen. Wir waren 12 Wahlhelfende in meinem Team.

Ist dir die als „Charme getarnte Unorganisiertheit“(ZDF) an diesem Tag aufgefallen?

Ein Werbeplakat zur Aufforderung zum Wahlhelfen
Amtlicher Hinweis für die Briefwahlvorstände

Probleme wie falsche Stimmzettel oder dass Leute nicht mehr rechtzeitig wählen konnten, betrafen die Wahllokale am Wahltag. Im Briefwahlzentrum hatten wir diese Probleme zum Glück nicht.
Was allerdings schon auffiel, war, dass diejenigen, die nur Onlinevideos als Vorbereitung bekommen haben, viele Nachfragen hatten. Da würde ich mir wünschen, dass alle Wahlhelfende eine praktische Schulung bekommen und somit besser vorbereitet werden. Hoffentlich ist das dieses Mal der Fall! Besonders zu wissen, was man ab welcher Uhrzeit machen kann und wie man die Formulare ausfüllt, ist schon kompliziert. Da war ich froh, dass ich ein paar Wochen vorher eine Präsenzschulung im Rathaus Lichtenberg bekommen habe.

Wie bist du darauf gekommen, dass du dich ehrenamtlich als Wahlhelferin engagieren möchtest?

Das erste Mal wurde ich durch die Gesuche im Radio für die Europawahl auf diese Möglichkeit aufmerksam. Für mich ist es wichtig, die Demokratie zu unterstützen, deshalb mache ich mit. Als Bürger so nah an der praktischen Funktionsweise der Demokratie sein zu können, finde ich spannend.
Mir ist dort in einem ganz praktischen Sinne klar geworden, dass Demokratie sehr viel Arbeit ist. Und auch sehr viele Menschen darin involviert sind. Allein in dem Gebäude der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) wo wir waren, waren mehrere Stockwerke mit mehreren Teams nur für die Lichtenberger Briefwahlbezirke aktiv. Das hat mich beeindruckt.

Was begeistert dich an ehrenamtlicher Arbeit?

Als Wahlhelferin war ich zum ersten Mal dabei, da ich mich sonst eher in anderen Bereichen und längerfristigen Engagements beteilige. Beispielsweise schreibe ich bei der oskar Redaktion und bei den Kiezreporter:innen in Lichtenberg. Hier kann ich schreiben und fotografieren, was ich gerne mache und beruflich nicht immer ausleben kann. Ich sehe mein Ehrenamt als Hobby. Von der oskar | redaktion habe ich zufällig bei einem Besuch der oskar | galerie erfahren.
Es ist mir wichtig, meine Umwelt und Gesellschaft mitzugestalten. Durch mein Ehrenamt habe ich die Freiheit, mich mit Dingen zu beschäftigen, die mich interessieren und die mir wichtig sind. Neue Themen zu entdecken, ohne den Druck zu haben, dass es einem gewissen Schema entsprechen muss.
In der sogenannten „Flüchtlingskrise“ nach 2015 habe ich auch einige Zeit in einer Geflüchtetenunterkunft bei der Essensausgabe und Deutschnachhilfe unterstützt. Online und offline wurden damals viele Vorurteile gegen die Menschen geschürt, die nach Europa kamen. Ich wollte nicht tatenlos zusehen sondern mir selbst ein Bild machen. Das Ehrenamt ermöglicht also einen ganz neuen Einblick. Man ist nicht mehr hilflos, sondern kann etwas tun.

Wie bekommst du Engagement, Arbeit und Privatleben unter einen Hut?

Meistens schlecht (sagt sie laut lachend). Zurzeit mache ich glücklicherweise Engagements, wie das Schreiben von Texten, die nicht an viele feste Termine gebunden sind. Dann kann ich mir das selbst einteilen und am Wochenende oder auf Fahrten in der S-Bahn daran arbeiten. Eine monatliche Sitzung kann man immer gut machen. Weil ich aktuell Dinge mache, die mich privat sehr interessieren, ist das Ehrenamt ein Teil des Privatlebens und bildet einen Ausgleich zum Stress in der Arbeit.

Was würdest du Jemandem raten, der/die mit dem Gedanken spielt, ein Ehrenamt zu beginnen?

Ein guter Anfang ist immer die oskar | freiwilligenagentur! Dort bekommt man eine ausführliche Beratung von den ehrenamtlichen Berater:innen. Unabhängig davon, ist es hilfreich, wenn man etwas macht, wo man dahinter steht und was einen selbst interessiert. Besonders wenn man zeitlich nicht so flexibel ist, sollte man sich etwas suchen, was einem Spaß macht und wo man neue Sachen lernt. Oder auch neue Menschen kennen lernen kann, wenn man das möchte. Es gibt wirklich viele Vorteile. Es geht nicht nur darum, etwas zu geben, sondern man nimmt auch etwas vom Ehrenamt. Ich habe immer schon viele Hobbys gehabt, deshalb ist es mir nicht schwergefallen, zu wissen, was ich mag. Aber ich weiß, dass es viele Leute gibt, denen es schwer fällt, ein Hobby zu finden. Vielleicht findet man ja durch das Ehrenamt ein Hobby, zum Beispiel als Trainer:in im Sportverein oder im kreativen Bereich. Es geht hier darum, herauszufinden, was man eigentlich möchte. Dabei können Freiwilligenagenturen helfen. Man kann sich ansonsten auch an die Orte direkt wenden, die einen interessieren oder im Bekanntenkreis nachfragen, was die so machen. Letzteres erleichtert den Zugang natürlich sehr.

Bist du dieses Jahr auch wieder Wahlhelferin?

Tatsächlich nicht. Weil es schon genügend Freiwillige gab. Wenn noch Leute fehlen würden, hätte ich wieder mitgemacht. Gerne wieder bei der Briefwahl. Das ist auf jeden Fall etwas vorhersehbarer als bei der Wahl vor Ort.

Was gibst du zum Abschluss einer Person mit, die im neuen Jahr Lust hat, sich zu engagieren?

Dass man nicht bis zu den Freiwilligentagen im September 2023 warten muss, um die verschiedenen Ehrenamtsmöglichkeiten auszuprobieren und kennen zu lernen. Da kann man bei Müllsammelaktionen, Streichaktionen oder Vorlesenachmittagen mitmachen und sehen, was einem liegen könnte. Gleichzeitig lernt man die Organisationen kennen.
Grundsätzlich sehe ich Ehrenamt schon eher als eine längerfristige Sache, weil sich die Organisationen auf einen einstellen. Aber es gibt auch punktuelle Engagements, wie die Kehrenbürger Lichtenberg, die einmal im Monat Müllsammelaktionen machen. Da kann man kurzfristig dazu kommen. Man kann also immer anfangen.

Dieses Interview entstand in der Redaktion Zeigen, was geht!
Sie ist die Freiwilligen-Redaktion der oskar | freiwilligenagentur lichtenberg. Freiwillig Engagierte verfassen für die Redaktion Beiträge über Themen im Zusammenhang mit Engagement. Das Format der Beiträge kann in der Redaktion frei gewählt werden, neben Texten sind auch Videos oder anderes möglich. Die jährlich stattfindenden Freiwilligentage stehen besonders im Fokus. Die Zeigen, was geht! – Redaktion steht allen Interessierten offen. Wir treffen uns an jedem 2. Donnerstag im Monat. Wer mitmachen möchte, meldet sich bitte bei Gül Yavuz: guel.yavuz@oskar.berlin