Ist es Ihnen nicht auch schon mal so ergangen? Ein Nachbar aus Ihrem Mietshaus ist Ihnen schon lange nicht mehr begegnet und Sie fragen sich, was wohl mit Ihm geschehen ist. Ob er für sich und seine Familie eine neue, bessere Unterkunft gefunden hat, oder ob man Ihn vielleicht später noch einmal zufällig in der Stadt trifft?

Im Fall von Samuel Finkels traf das nicht zu. Er war am 4. Oktober 1938 abgeholt worden, abgeholt aus dem Mietshaus Eberhardstraße 65/66 in Berlin Lichtenberg. Nicht etwa, weil er das so wollte, sondern weil er einfach dem falschen Glauben anhing. Er wurde eines der ersten Opfer einer menschenverachtenden Ideologie, die insgesamt über sechs Millionen Juden das Leben kostete.

Von Samuel Finkels gab es bisher keine Stätte der Erinnerung. Kein Grab, an dem Hinterbliebene um ihn trauern konnten. Nach jüdischen Glauben erfolgt die Beisetzung für die Ewigkeit.

Um an ihn und viele andere ehemalige Mitbürger:innen zu erinnern und eine Stätte für die Erinnerung zu schaffen, begann der Künstler Gunter Demnig im Jahr 1992 ein Projekt, vor ehemaligen Wohnhäusern der Opfer Stolpersteine zu verlegen. Kleine Betonsteine mit darauf angebrachten Messingplatten, in die die Namen und weitere Angaben zur Person und ihrem Leidensweg  eingeschlagen wurden. Die Größe der Steine,  zu denen man sich, um die Inschrift lesen zu können, bücken muss, soll eine symbolische Verbeugung vor den Opfern erfordern.

Der Verein LICHT-BLICKE und hier der AK Stolpersteine Lichtenberg & Hohenschönhausen, insbesondere Dagmar Poetzsch, bemühen sich schon seit Jahren ehrenamtlich, Schicksale von ehemaligen Mitbürger:innen zu erkunden und die Verlegung der Stolpersteine zu beantragen.

Leider wurde das Wohnhaus Eberhardstraße 65/66 im Krieg zerstört. In Anwesenheit von mehr als 30 Personen und mit einer würdigen musikalischen Begleitung durch Isabel Neuenfeldt wurde der Stolperstein deshalb an der Ecke Eberhardstraße/Scheffelstraße verlegt, als der bisher letzte von weiteren 151 Steinen in Lichtenberg. Voraussichtlich werden im August an der Frankfurter Allee Süd weitere 10 Steine folgen. So wie Dagmar Poetzsch engagieren sich hunderte Freiwillige in Berlin und deshalb hat das Europäische Freiwilligenzentrum in Würdigung dessen, was Berlin und seine Menschen im freiwilligen Engagement und Ehrenamt leisten, unsere Stadt für das Jahr 2021 zur europäischen Freiwilligenhauptstadt ernannt.

Dieser Artikel entstand in der Redaktion Zeigen, was geht!

Sie ist die Freiwilligen-Redaktion der oskar | freiwilligenagentur lichtenberg. Freiwillig Engagierte verfassen für die Redaktion Beiträge über Themen im Zusammenhang mit Engagement. Das Format der Beiträge kann in der Redaktion frei gewählt werden, neben Texten sind auch Videos oder anderes möglich. Die jährlich stattfindenden Freiwilligentage stehen besonders im Fokus. Die Zeigen, was geht! – Redaktion steht allen Interessierten offen. Wir treffen uns an jedem 2. Donnerstag im Monat. Wer mitmachen möchte, meldet sich bitte bei Gül Yavuz: guel.yavuz@oskar.berlin