Text: Peter Breitfeld Fotos: Wolfgang Haensel
Erinnerung, Gedenken und Mahnung am Vorabend zum Tag der Befreiung
Zwei weitere Stolpersteine wurden am Freitagnachmittag im Gehweg vor dem Haus in der Lichtenberger Fanningerstraße 20 verlegt. Gedacht wird mit ihnen Bertha und Josephus Wahl, die bis zum Sommer 1942 dort gelebt hatten. Wie aus einer Karteikarte im Brandenburgischen Landeshauptarchiv hervorgeht, musste das Ehepaar Wahl seine Wohnung räumen und war mit seinen wenigen Habseligkeiten bis zur Deportation im Altenheim Schönhauser Allee 22 in Berlin N 58 untergebracht.
Mit dem 1. großen Alterstransport wurden sie am 17. August 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Josephus starb dort am 30. August 1942. Für Bertha Wahl folgte nach dem Tod ihres Mannes am 21. September 1942 die Deportation nach Treblinka. Dort wurde sie ermordet. Josephus ist 75 Jahre alt geworden, Bertha 66 Jahre.
Insgesamt 3 solcher Altentransporte, mit denen in den Monaten August bis Oktober 1942 jeweils rund 1000 noch in Berliner Altenheimen lebende Jüdinnen und Juden in den Tod geschickt wurden, sind Zeugnis dafür, dass der nationalsozialistische Wahn zur Judenvernichtung auch vor alten und betagten Menschen nicht halt gemacht hat.
Der Einladung zur Stolpersteinverlegung waren zahlreiche Lichtenberger:innen gefolgt. Unter ihnen auch der Lichtenberger Bezirksbürger:innenmeister Michael Grunst (Die Linke). Der Termin für die Verlegungszeremonie war am Vorabend des Tages der Befreiung bewusst gewählt, jährte sich doch am 8.Mai das Ende des zweiten Weltkrieges zum 76. Mal. „Nie vergessen!“ Diese Worte von Dagmar Poetzsch, Ansprechpartnerin für Erinnerungskultur in Lichtenberg, am Ende der Verlegungszeremonie galten an diesem Nachmittag nicht nur dem Schicksal von Josephus und Bertha Wahl. Für sie und wohl auch für alle anderen Teilnehmenden waren in diese Mahnung eingeschlossen die Erinnerung und das Gedenken an die Millionen Opfer, die im Kampf gegen den Faschismus gebracht werden mussten.
In Lichtenberg sind inzwischen 150 Stolpersteine verlegt. Die Steine sind aus Beton und mit einer Messingplatte versehen. Sie sind in den Bürgersteig eingelassen und befinden sich dort, wo die Opfer des Nationalsozialismus ihren letzten Wohnsitz hatten. Alle haben eine Gravur mit den wichtigsten persönlichen Daten. Mit diesen im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln wird an das Schicksal von Menschen erinnert, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Die meisten von ihnen waren Jüdinnen und Juden.
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